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Beleihungswert

Inhaltsverzeichnis

Der Beleihungswert ist eine zentrale Größe bei der Immobilienfinanzierung und gibt an, welchen Wert eine Bank langfristig und unter vorsichtiger Einschätzung einer Immobilie beimisst. Er ist die Grundlage für die Berechnung, wie viel Kredit eine Bank maximal für eine Immobilie gewähren wird. Anders als der Verkehrswert, der den aktuellen Marktwert widerspiegelt, berücksichtigt der Beleihungswert mögliche Wertschwankungen und Risiken. Für Immobilienkäufer und -eigentümer ist das Verständnis des Beleihungswerts essentiell, um ihre Finanzierungsmöglichkeiten realistisch einschätzen zu können.

Definition und rechtliche Grundlagen

Der Beleihungswert ist gesetzlich im Pfandbriefgesetz (PfandBG) definiert. Nach § 16 Abs. 2 PfandBG darf der Beleihungswert den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objekts, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt.

Ergänzend regelt die Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) die Details der Ermittlung. Diese Verordnung konkretisiert die Anforderungen an die Wertermittlung und legt fest, welche Faktoren bei der Berechnung zu berücksichtigen sind.

Der Beleihungswert unterscheidet sich grundlegend vom Verkehrswert: Während der Verkehrswert den aktuellen Marktwert zum Bewertungsstichtag darstellt, ist der Beleihungswert eine konservative, zukunftsorientierte Bewertung, die auch ungünstige Marktentwicklungen einkalkuliert.

Unterschied zwischen Beleihungswert und Verkehrswert

Diese beiden Begriffe werden häufig verwechselt, haben aber unterschiedliche Bedeutungen:

Verkehrswert (Marktwert):

  • Aktueller Preis, der am Markt erzielbar ist
  • Berücksichtigt aktuelle Marktlage
  • Kann Schwankungen unterliegen
  • Basis für Verkehrswertgutachten
  • Relevant für Kauf, Verkauf, Scheidung, Erbschaft

Beleihungswert:

  • Konservative, langfristige Werteinschätzung
  • Berücksichtigt mögliche Wertschwankungen
  • Ausschluss spekulativer Elemente
  • Basis für Kreditentscheidungen
  • Meist 10-30% unter dem Verkehrswert

Ein Beispiel: Eine Eigentumswohnung hat einen Verkehrswert von 400.000 Euro. Der Beleihungswert könnte bei 350.000 Euro liegen, da die Bank einen Sicherheitsabschlag für mögliche Marktrisiken einrechnet.

Wie wird der Beleihungswert ermittelt?

Die Ermittlung des Beleihungswerts erfolgt nach strengen Vorgaben der BelWertV und orientiert sich grundsätzlich an den gleichen Wertermittlungsverfahren wie beim Verkehrswert:

Ertragswertverfahren: Wird angewendet bei vermieteten Objekten wie Mehrfamilienhäusern, Wohn- und Geschäftshäusern oder reinen Gewerbeimmobilien. Hierbei werden die nachhaltig erzielbaren Mieterträge kapitalisiert. Der Beleihungswert berücksichtigt dabei nur die langfristig sicher erzielbaren Mieten, nicht temporäre Spitzenmieten.

Sachwertverfahren: Kommt bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und Eigentumswohnungen zum Einsatz. Der Wert ergibt sich aus der Summe von Bodenwert und Gebäudesachwert, abzüglich Alterswertminderung.

Vergleichswertverfahren: Wird vor allem bei Grundstücken und in Gebieten mit ausreichend Vergleichsdaten angewendet. Der Wert ergibt sich aus tatsächlich erzielten Kaufpreisen vergleichbarer Objekte.

Bei der Beleihungswertermittlung werden jedoch im Gegensatz zur Verkehrswertermittlung folgende Besonderheiten beachtet:

  • Nachhaltigkeitsprinzip: Nur langfristig erzielbare Erträge werden berücksichtigt
  • Vorsichtsprinzip: Im Zweifel wird der niedrigere Wert angesetzt
  • Ausschluss spekulativer Elemente: Zukünftige Wertsteigerungen werden nicht eingerechnet
  • Marktzyklen: Überhitzte Marktphasen werden ausgeglichen

Professionelle Beleihungswertermittlung benötigt?

Als zertifizierte Sachverständige erstellen wir unabhängige Beleihungswertgutachten nach den Vorgaben des Pfandbriefgesetzes. Unsere Gutachten werden von Banken, Versicherungen und privaten Kreditgebern anerkannt und bieten Ihnen Klarheit über Ihre Finanzierungsmöglichkeiten.

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Beleihungsgrenze und Beleihungsauslauf

Im Zusammenhang mit dem Beleihungswert sind zwei weitere Begriffe wichtig:

Beleihungsgrenze: Die Beleihungsgrenze gibt an, bis zu welchem Prozentsatz des Beleihungswerts die Bank bereit ist, Kredit zu gewähren. Typischerweise liegt sie bei 60 bis 80 Prozent des Beleihungswerts. Bei Pfandbriefbanken ist die Grenze gesetzlich auf 60% festgelegt.

Beleihungsauslauf: Der Beleihungsauslauf beschreibt das Verhältnis zwischen Darlehenssumme und Beleihungswert in Prozent. Je niedriger der Beleihungsauslauf, desto günstiger sind in der Regel die Konditionen.

Beispielrechnung:

  • Verkehrswert der Immobilie: 500.000 Euro
  • Beleihungswert: 450.000 Euro (90% des Verkehrswerts)
  • Beleihungsgrenze: 80% des Beleihungswerts = 360.000 Euro
  • Maximaler Kredit zu Topkonditionen: 360.000 Euro
  • Erforderliches Eigenkapital: mindestens 140.000 Euro

Bei höheren Darlehensbeträgen steigen die Zinsen, da die Bank ein höheres Risiko eingeht.

Faktoren, die den Beleihungswert beeinflussen

Zahlreiche Faktoren fließen in die Ermittlung des Beleihungswerts ein:

Lage: Die Lage ist der wichtigste Faktor. Unterschieden wird zwischen Makrolage (Stadt, Region, wirtschaftliche Entwicklung) und Mikrolage (konkrete Straße, Umfeld, Infrastruktur). Zentrale, gut erschlossene Lagen erzielen höhere Beleihungswerte als periphere Standorte.

Objektzustand: Der bauliche Zustand, das Alter und die Ausstattungsqualität beeinflussen den Wert erheblich. Sanierungsbedürftige Immobilien werden deutlich niedriger beliehen als modernisierte Objekte.

Bausubstanz und Restnutzungsdauer: Die verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer ist entscheidend. Ein Gebäude mit noch 60 Jahren Restnutzungsdauer wird höher bewertet als eines mit nur noch 20 Jahren.

Grundstücksgröße und Zuschnitt: Optimal geschnittene Grundstücke erzielen höhere Werte als ungünstig geformte oder zu große/kleine Grundstücke.

Nutzungsmöglichkeiten: Vielseitig nutzbare Immobilien werden höher bewertet als Spezialimmobilien mit eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten.

Mietvertragssituation: Bei vermieteten Objekten spielen die bestehenden Mietverträge eine wichtige Rolle. Langfristige Verträge mit bonit Mietern wirken sich positiv aus.

Marktlage: Die regionale Nachfrage, demografische Entwicklung und wirtschaftliche Perspektive der Region fließen ein. In schrumpfenden Regionen werden Abschläge vorgenommen.

Rechtliche Belastungen: Wegerechte, Wohnrechte oder andere Grundbuchlasten mindern den Beleihungswert. Auch Altlasten führen zu erheblichen Abschlägen.

Wer ermittelt den Beleihungswert?

Die Ermittlung des Beleihungswerts kann durch verschiedene Stellen erfolgen:

Bankinterne Gutachter: Die meisten Banken haben eigene Immobilienbewertungsabteilungen mit geschulten Mitarbeitern. Diese erstellen bei Standardfinanzierungen oft eine vereinfachte Beleihungswertermittlung.

Externe Sachverständige: Bei höheren Darlehenssummen oder komplexeren Objekten beauftragen Banken externe, zertifizierte Sachverständige mit HypZert-Zertifizierung. Diese Gutachten sind ausführlicher und werden nach strengeren Standards erstellt.

Automatisierte Bewertungsverfahren: Einige Banken nutzen bei Standardimmobilien automatisierte Bewertungssysteme (Automated Valuation Models – AVM), die auf Basis von Vergleichsdaten einen Wert ermitteln.

Die Kosten für die Beleihungswertermittlung durch die Bank liegen typischerweise zwischen 300 und 1.500 Euro und werden dem Kreditnehmer in Rechnung gestellt. Sie sind Teil der Anschaffungsnebenkosten beim Immobilienerwerb.

Unabhängige Beleihungswertermittlung

Nicht nur Banken ermitteln Beleihungswerte. Auch Immobilieneigentümer können ein unabhängiges Beleihungswertgutachten bei einem Sachverständigen in Auftrag geben. Dies bietet mehrere Vorteile:

Finanzierungsstrategie: Mit einem unabhängigen Gutachten können Eigentümer verschiedene Finanzierungsoptionen durchspielen und die beste Bank auswählen.

Verhandlungsgrundlage: Ein professionelles Gutachten kann bei Verhandlungen mit der Bank helfen, bessere Konditionen zu erzielen.

Transparenz: Eigentümer verstehen besser, wie die Bank ihre Immobilie bewertet und können gezielt Verbesserungen vornehmen.

Zweite Meinung: Bei zu niedrigen Bankbewertungen kann ein unabhängiges Gutachten Klarheit schaffen.

Professionelle Beleihungswertgutachten werden von zertifizierten Sachverständigen erstellt und sind bei Banken und anderen Kreditgebern anerkannt.

Beleihungswert bei verschiedenen Immobilienarten

Eigentumswohnungen: Bei Eigentumswohnungen wird neben der Wohnung selbst auch die Qualität der Eigentümergemeinschaft bewertet. Hohe Instandhaltungsrücklagen und ein gepflegtes Gemeinschaftseigentum wirken sich positiv aus.

Einfamilienhäuser: Einfamilienhäuser werden meist im Sachwertverfahren bewertet. Besonders wichtig sind Lage, Grundstücksgröße und Gebäudezustand.

Mehrfamilienhäuser: Hier kommt das Ertragswertverfahren zum Einsatz. Entscheidend sind die nachhaltig erzielbaren Mieterträge und die Vermietbarkeit.

Gewerbeimmobilien: Gewerbeimmobilien werden kritisch bewertet, da sie oft schwerer veräußerbar sind. Die Bonität der Mieter und Vertragslaufzeiten sind wichtige Faktoren.

Neubauten: Bei Neubauten wird oft der Kaufpreis als Ausgangspunkt genommen, allerdings mit Abschlägen für Marktrisiken.

Beleihungswert und Zinsen

Der Beleihungswert hat direkten Einfluss auf die Kreditkonditionen:

Niedrige Beleihungsausläufe (bis 60%):

  • Beste Zinskonditionen
  • Geringes Risiko für die Bank
  • Oft Zugang zu besonders günstigen Förderdarlehen

Mittlere Beleihungsausläufe (60-80%):

  • Standard-Konditionen
  • Marktübliche Zinssätze
  • Gute Finanzierungsbedingungen

Hohe Beleihungsausläufe (80-100%):

  • Deutlich höhere Zinsen
  • Risikozuschläge
  • Eventuell zusätzliche Sicherheiten erforderlich

Über 100% (Vollfinanzierung):

  • Sehr hohe Zinsen
  • Nur bei exzellenter Bonität
  • Hohes Risiko für Kreditnehmer

Aktualisierung des Beleihungswerts

Der Beleihungswert ist keine statische Größe. Bei langfristigen Darlehen sollte er regelmäßig aktualisiert werden:

Gründe für Aktualisierung:

  • Wesentliche Veränderungen am Objekt (Sanierung, An-/Umbau)
  • Deutliche Marktveränderungen
  • Umfinanzierung oder Anschlussfinanzierung
  • Aufstockung des Darlehens

Häufigkeit: Empfohlen wird eine Aktualisierung alle 5 bis 10 Jahre. Bei der Anschlussfinanzierung ist eine Neuberechnung Standard.

Kosten: Eine Aktualisierung auf Basis des ursprünglichen Gutachtens ist oft günstiger als eine Neubewertung.

Beleihungswert im internationalen Vergleich

Das deutsche System der Beleihungswertermittlung gilt international als sehr konservativ und sicher. In anderen Ländern gibt es teilweise deutlich großzügigere Bewertungsansätze:

Deutschland:

  • Sehr vorsichtige Bewertung
  • Strenge gesetzliche Vorgaben
  • Beleihungsgrenzen oft bei 60-80%

USA:

  • Loan-to-Value-Ratio oft bis 95%
  • Weniger konservative Bewertung
  • Höhere Ausfallrisiken

Großbritannien:

  • Ähnlich großzügig wie USA
  • Higher Loan-to-Value möglich

Das deutsche System hat sich besonders in Krisenzeiten bewährt und führt zu stabileren Immobilienmärkten.

Fazit

Der Beleihungswert ist die zentrale Größe für jede Immobilienfinanzierung. Er bestimmt, wie viel Kredit eine Bank maximal gewähren wird und zu welchen Konditionen. Anders als der Verkehrswert folgt er einer vorsichtigen, langfristigen Bewertungsphilosophie, die mögliche Risiken einkalkuliert. Für Immobilienkäufer ist es wichtig zu verstehen, dass der Beleihungswert meist deutlich unter dem Verkehrswert liegt und sie entsprechend Eigenkapital einplanen müssen.

Eine professionelle Beleihungswertermittlung durch zertifizierte Sachverständige bietet Transparenz und kann helfen, die optimale Finanzierungsstrategie zu entwickeln. Besonders bei höherwertigen Immobilien oder komplexen Objekten lohnt sich die Investition in ein unabhängiges Gutachten.

Unser Leistungen

Immobilienbewertung Steinlein

Seit 2017 beschäftigen wir zertifizierte Immobiliengutachter für die Bewertung von Immobilien. Unabhängig und neutral erstellen wir Kurzgutachten (Verkehrswert), Verkehrswertgutachten sowie Markt- und Beleihungswertgutachten für finanzwirtschaftliche Zwecke. 

Fachwissen wird regelmäßig durch die HypZert, die nach DIN EN ISO 17024:2012 zertifiziert und bei der Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS gelistet ist, geprüft. Eine Vielzahl an Weiterbildungen im Immobilienbereich garantieren eine hohe Qualität unserer Gutachten.