Altlasten sind kontaminierte Grundstücke oder Bodenflächen, die durch frühere gewerbliche oder industrielle Nutzung mit Schadstoffen belastet sind. Sie stellen nicht nur ein ökologisches und gesundheitliches Risiko dar, sondern können auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Immobilientransaktionen haben. Für Käufer, Verkäufer und Sachverständige ist die Identifikation und Bewertung von Altlasten daher ein zentrales Thema bei der Immobilienbewertung und Grundstücksentwicklung.

Definition und rechtliche Grundlagen
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) werden Altlasten definiert als stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
Das zentrale Gesetz für den Umgang mit Altlasten ist das Bundes-Bodenschutzgesetz von 1998, ergänzt durch die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV). Diese Regelwerke definieren Pflichten zur Gefahrenabwehr, Sanierungsmaßnahmen und Haftungsfragen. Zusätzlich sind landesspezifische Altlastenkataster relevant, in denen bekannte oder vermutete Altlasten registriert sind.
Arten von Altlasten
Man unterscheidet verschiedene Kategorien von Altlasten und altlastenverdächtigen Flächen:
Altstandorte: Dies sind Grundstücke ehemaliger Industriebetriebe, Gewerbeflächen oder militärischer Einrichtungen, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde. Typische Beispiele sind ehemalige Chemiefabriken, metallverarbeitende Betriebe, Galvanikbetriebe, Tankstellen und Autowerkstätten, Gaswerke sowie militärische Liegenschaften.
Altablagerungen: Hierunter fallen frühere Mülldeponien, wilde Müllkippen oder Auffüllungen mit belastetem Material. Vor Inkrafttreten strenger Umweltgesetze wurden oft Abfälle unsachgemäß entsorgt.
Altlastenverdächtige Flächen: Grundstücke, bei denen der Verdacht einer Kontamination besteht, aber noch keine abschließende Untersuchung erfolgt ist.
Schadensfälle: Akute Verunreinigungen durch Unfälle, Havarien oder unsachgemäßen Umgang mit Schadstoffen.
Typische Schadstoffe und Kontaminationen
Die Art der Kontamination hängt stark von der früheren Nutzung des Grundstücks ab:
Schwermetalle: Blei, Cadmium, Chrom, Quecksilber und Arsen finden sich häufig auf ehemaligen Industriestandorten, insbesondere in der Metallverarbeitung und Galvanik.
Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW): Typisch für ehemalige Tankstellen, Autowerkstätten oder Heizöllager. Auch undichte Heizöltanks in Gebäuden können zu Kontaminationen führen.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Diese finden sich häufig auf ehemaligen Gaswerksstandorten oder in Auffüllungen mit Teer- und Schlackematerial.
Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW): Lösemittel wie Trichlorethen oder Perchlorethylen wurden in chemischen Reinigungen, Metallentfettungsanlagen und der chemischen Industrie eingesetzt.
Asbest: Obwohl primär ein Gebäudeschadstoff, kann Asbest auch im Boden vorkommen, wenn asbesthaltige Baumaterialien unsachgemäß entsorgt oder vergraben wurden.
PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen): Diese “ewigen Chemikalien” werden zunehmend als Altlastenproblem erkannt, insbesondere auf ehemaligen Feuerwehrübungsplätzen.
Gefährdungspotenzial und Risikoabschätzung
Nicht jede Schadstoffbelastung im Boden stellt automatisch eine Gefahr dar. Entscheidend ist das Gefährdungspotenzial, das von verschiedenen Faktoren abhängt:
Schadstoffkonzentration: Die Menge und Art der Schadstoffe bestimmen das Risiko.
Mobilität der Schadstoffe: Können die Schadstoffe ins Grundwasser gelangen oder werden sie vom Boden gebunden?
Nutzung des Grundstücks: Ein Spielplatz erfordert strengere Maßstäbe als eine versiegelte Gewerbefläche.
Exposition: Wie wahrscheinlich ist ein direkter Kontakt von Menschen mit dem kontaminierten Boden?
Die Bewertung erfolgt anhand von Prüf- und Maßnahmenwerten der BBodSchV. Werden Prüfwerte überschritten, sind weitere Untersuchungen notwendig. Bei Überschreitung von Maßnahmenwerten besteht Handlungsbedarf.
Haftung und Verantwortlichkeit
Die Haftung für Altlasten ist im BBodSchG klar geregelt, kann aber in der Praxis komplex sein:
Verursacherprinzip: Grundsätzlich haftet derjenige, der die Kontamination verursacht hat. Dies kann der ehemalige Betreiber einer Anlage sein.
Zustandsverantwortlichkeit: Der aktuelle Eigentümer des Grundstücks kann zur Sanierung verpflichtet werden, auch wenn er die Kontamination nicht verursacht hat. Dies ist besonders relevant bei Immobilientransaktionen.
Gesamtschuldnerische Haftung: Mehrere Verantwortliche können gemeinsam haften.
Diese Haftungsregelungen machen eine gründliche Prüfung vor dem Grundstückserwerb unerlässlich. Ohne entsprechende Due Diligence kann ein Käufer unversehens erhebliche Sanierungskosten übernehmen.
Untersuchung und Nachweis von Altlasten
Die Untersuchung von Altlasten erfolgt nach standardisierten Verfahren, die in der BBodSchV und verschiedenen DIN-Normen geregelt sind:
Phase 1 – Historische Erkundung: Recherche der früheren Nutzung anhand von Akten, Luftbildern, Zeitzeugenberichten und Altlastenkatastern. Diese Phase liefert erste Hinweise auf mögliche Kontaminationen.
Phase 2 – Orientierende Untersuchung: Erste Bodenproben werden entnommen und analysiert. Ziel ist es, den Verdacht zu erhärten oder auszuräumen.
Phase 3 – Detailuntersuchung: Bei bestätigtem Verdacht werden umfangreiche Beprobungen durchgeführt, um Art, Umfang und Ausbreitung der Kontamination genau zu erfassen.
Phase 4 – Sanierungsuntersuchung: Planung konkreter Sanierungsmaßnahmen inklusive Machbarkeit und Kostenschätzung.
Ein Bodengutachten durch spezialisierte Umweltlabore und Sachverständige ist für die rechtssichere Bewertung unerlässlich.
Sanierungsmaßnahmen
Je nach Art und Ausmaß der Kontamination kommen verschiedene Sanierungsverfahren in Betracht:
Bodenaustausch: Der kontaminierte Boden wird ausgehoben und durch sauberen Boden ersetzt. Das belastete Material wird fachgerecht entsorgt.
In-situ-Sanierung: Behandlung des Bodens vor Ort, beispielsweise durch mikrobiellen Abbau, chemische Oxidation oder thermische Verfahren.
Sicherungsmaßnahmen: Bei geringem Gefährdungspotenzial kann eine Versiegelung oder Abdeckung ausreichend sein, um den Kontakt mit Schadstoffen zu verhindern.
Grundwassersanierung: Bei Grundwasserkontamination kommen Pump-and-Treat-Verfahren oder reaktive Wände zum Einsatz.
Die Kosten für Altlastensanierungen können von einigen Tausend Euro bis zu mehreren Millionen Euro reichen, abhängig von der Kontaminationsart und -intensität sowie der Grundstücksgröße.
Auswirkungen auf den Immobilienwert
Altlasten haben erhebliche Auswirkungen auf den Verkehrswert einer Immobilie:
Wertminderung: Die Sanierungskosten mindern direkt den Verkehrswert des Grundstücks. Bei einem Kurzgutachtenoder Verkehrswertgutachten müssen bekannte oder vermutete Altlasten berücksichtigt werden.
Nutzungseinschränkungen: Kontaminierte Flächen können nur eingeschränkt bebaut oder genutzt werden, was die Entwicklungsmöglichkeiten und damit den Wert limitiert.
Vermarktbarkeit: Selbst nach Sanierung können Altlasten die Vermarktbarkeit beeinträchtigen, da potenzielle Käufer skeptisch bleiben.
Finanzierung: Banken sind bei der Beleihungswertermittlung zurückhaltend bei altlastenverdächtigen Grundstücken.
Altlasten im Kaufvertrag
Beim Grundstückskauf sollten Altlasten explizit im Kaufvertrag thematisiert werden:
Gewährleistungsausschluss: Viele Verkäufer schließen die Gewährleistung für Altlasten aus. Käufer übernehmen dann das volle Risiko.
Freistellungsklauseln: Der Verkäufer kann sich von Altlastenhaftung freistellen lassen, wodurch der Käufer allein verantwortlich wird.
Kaufpreisminderung: Bei bekannten Altlasten wird oft der Kaufpreis entsprechend reduziert.
Sanierungsverpflichtungen: Es kann vereinbart werden, dass der Verkäufer vor Übergabe saniert oder der Käufer mit einem Kostenabschlag selbst saniert.
Eine gründliche rechtliche und technische Prüfung vor Vertragsabschluss ist essentiell.
Altlastenkataster und Auskunftspflichten
Die Bundesländer führen Altlastenkataster, in denen bekannte und vermutete Altlastenflächen registriert sind. Beim Grundstückskauf sollte stets eine Abfrage beim zuständigen Umweltamt erfolgen. Die Eintragung im Kataster bedeutet nicht zwingend eine akute Gefahr, erfordert aber weitere Prüfungen.
Verkäufer sind zur Offenlegung bekannter Altlasten verpflichtet. Verschweigen sie wissentlich Kontaminationen, kann dies zur Anfechtung des Kaufvertrags und zu Schadensersatzansprüchen führen.
Praxisbeispiel
Ein Investor erwirbt ein ehemaliges Fabrikgelände zur Wohnbebauung. Im Altlastenkataster ist das Grundstück als altlastenverdächtig verzeichnet. Eine historische Erkundung zeigt, dass dort bis 1980 eine Galvanikanlage betrieben wurde. Bei der orientierenden Untersuchung werden erhöhte Schwermetallwerte festgestellt. Die Detailuntersuchung ergibt, dass etwa 2.000 m³ Boden ausgetauscht werden müssen. Die Sanierungskosten belaufen sich auf 400.000 Euro. Diese Kosten müssen vom Bodenwert abgezogen werden, was den Gesamtwert der Immobilie erheblich mindert.
Behördliche Ansprechpartner
Für Fragen zu Altlasten sind die unteren Bodenschutzbehörden bei den Landkreisen und kreisfreien Städten zuständig. Das Umweltbundesamt stellt umfangreiche Informationen zu Altlasten und Bodenschutz bereit und koordiniert bundesweite Aktivitäten.
Fazit
Altlasten sind ein komplexes Thema mit weitreichenden rechtlichen, ökologischen und finanziellen Implikationen. Für Käufer ist eine gründliche Prüfung vor dem Erwerb unerlässlich, um nicht unvorhersehbare Sanierungskosten übernehmen zu müssen. Professionelle Immobiliengutachter berücksichtigen Altlastenrisiken bei der Wertermittlung und empfehlen bei Verdacht spezialisierte Umweltgutachter hinzuzuziehen. Eine transparente Dokumentation im Kaufvertrag schützt beide Parteien und vermeidet spätere Rechtsstreitigkeiten.