Der Flächennutzungsplan (F-Plan) ist das zentrale Instrument der vorbereitenden Bauleitplanung in Deutschland. Er stellt für das gesamte Gemeindegebiet die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung in ihren Grundzügen dar und bildet damit die Grundlage für die verbindlichere Bebauungsplanung. Für Immobilieneigentümer, Investoren und Sachverständige ist der Flächennutzungsplan ein wichtiges Hilfsmittel, um die künftige Entwicklung eines Standorts einzuschätzen und das Wertpotenzial von Grundstücken zu beurteilen. Anders als der Bebauungsplan entfaltet der Flächennutzungsplan jedoch keine unmittelbare Rechtswirkung für den Einzelnen.
Rechtliche Grundlagen
Der Flächennutzungsplan ist im Baugesetzbuch (BauGB) verankert und gehört neben dem Bebauungsplan zu den beiden Instrumenten der Bauleitplanung:
§ 1 BauGB – Aufgabe der Bauleitplanung Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.
§ 5 BauGB – Inhalt des Flächennutzungsplans Im Flächennutzungsplan ist die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen.
§ 6 BauGB – Genehmigung des Flächennutzungsplans Der Flächennutzungsplan bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde (Bezirksregierung, Landratsamt).
Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) konkretisiert die zulässigen Darstellungen und Nutzungsarten.
Aufgabe und Funktion
Der Flächennutzungsplan erfüllt mehrere wichtige Funktionen:
Gesamtplanung für das Gemeindegebiet Im Gegensatz zum Bebauungsplan, der nur Teilbereiche regelt, umfasst der F-Plan das gesamte Gemeindegebiet. Er zeigt die langfristige räumliche Entwicklung und koordiniert verschiedene Nutzungsansprüche (Wohnen, Gewerbe, Verkehr, Grünflächen).
Koordinierung der Fachplanungen Der Flächennutzungsplan bringt unterschiedliche Planungen in Einklang – etwa Verkehrsplanung, Landschaftsplanung, Ver- und Entsorgung, Naturschutz. Er schafft einen Rahmen für nachfolgende konkrete Planungen.
Steuerung der Bebauungsplanung Bebauungspläne müssen aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden (§ 8 BauGB – Entwicklungsgebot). Der F-Plan gibt damit die Richtung vor, in die sich ein Gebiet entwickeln soll.
Grundlage für Genehmigungen im Außenbereich Bei privilegierten Vorhaben im Außenbereich (z. B. landwirtschaftliche Bauten) wird geprüft, ob diese den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen.
Transparenz für Bürger und Investoren Der F-Plan ist öffentlich einsehbar und zeigt, welche Entwicklungen die Gemeinde in den kommenden Jahren plant. Dies schafft Planungssicherheit für Investoren und Eigenheimkäufer.
Darstellungen im Flächennutzungsplan
Der Flächennutzungsplan arbeitet mit flächigen Darstellungen, die die Art der Bodennutzung in groben Zügen zeigen. Der Maßstab liegt üblicherweise bei 1:5.000 bis 1:10.000, weshalb exakte Grundstücksgrenzen nicht erkennbar sind.
Bauflächen und Baugebiete
Wohnbauflächen (W) Bereiche, die überwiegend dem Wohnen dienen sollen. Eine weitere Differenzierung nach Art der Wohnbebauung (Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, gemischte Bebauung) erfolgt im Bebauungsplan.
Gemischte Bauflächen (M) Gebiete mit Wohn- und Gewerbenutzung, typischerweise in Ortskernen oder entlang von Hauptverkehrsstraßen. Hier entstehen häufig Wohn- und Geschäftshäuser.
Gewerbliche Bauflächen (G) Flächen für Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen. Diese sind oft in Randlagen oder mit guter Verkehrsanbindung ausgewiesen.
Sonderbauflächen (S) Flächen für besondere Nutzungen wie Einkaufszentren, Kliniken, Hochschulen, Freizeit- und Sportanlagen, Campingplätze.
Flächen für den Gemeinbedarf
Hierzu zählen öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Kirchen, Verwaltungsgebäude, kulturelle Einrichtungen, Feuerwehr.
Verkehrsflächen
Darstellung von Hauptverkehrsstraßen, Bahnlinien, Flughäfen, Hafenanlagen sowie geplanten Verkehrstrassen. Für Immobilieneigentümer relevant, da künftige Verkehrsbelastungen erkennbar werden.
Grün- und Freiflächen
Grünflächen Parks, Sportplätze, Kleingärten, Friedhöfe, Freibäder
Landwirtschaftliche Flächen Bereiche, die der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten bleiben sollen
Waldflächen Erhaltung und Schutz von Waldbestand
Flächen für Ver- und Entsorgung
Standorte für Kläranlagen, Wasserwerke, Umspannwerke, Abfallentsorgung, Windkraftanlagen, Solarparks.
Wasserflächen und Hochwasserschutz
Flüsse, Seen, Küstengewässer sowie Überschwemmungsgebiete und Hochwasserschutzanlagen.
Flächen für Maßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft
Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in die Natur.
Kennzeichnungen und nachrichtliche Übernahmen
Neben den eigentlichen Darstellungen enthält der Flächennutzungsplan auch:
Kennzeichnungen
- Altlasten und Altlastenverdachtsflächen
- Bergbaugebiete
- Flächen mit Bodendenkmälern
- Flächen mit erhöhtem Hochwasserrisiko
- Lärmschutzzonen
Nachrichtliche Übernahmen Hier werden Planungen und Festsetzungen anderer Träger öffentlicher Belange übernommen, etwa Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, Denkmalschutzgebiete, planfestgestellte Verkehrstrassen.
Rechtswirkungen des Flächennutzungsplans
Ein zentrales Merkmal des Flächennutzungsplans ist seine begrenzte Rechtswirkung:
Keine unmittelbare Außenwirkung Der F-Plan entfaltet keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Bürgern und Eigentümern. Er begründet weder Baurechte noch Bauverbote. Ein Eigentümer kann sich nicht auf den F-Plan berufen, um ein Baurecht zu beanspruchen.
Bindungswirkung für Behörden Der Flächennutzungsplan bindet die Gemeinde und andere Planungsträger. Bebauungspläne, Genehmigungen und öffentliche Maßnahmen müssen sich an ihm orientieren.
Entwicklungsgebot für Bebauungspläne Gemäß § 8 BauGB sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Dies bedeutet, dass ein Bebauungsplan im Grundsatz den Vorgaben des F-Plans entsprechen muss, auch wenn Abweichungen in engen Grenzen möglich sind.
Mittelbare Wirkung über Bebauungspläne Erst durch den Bebauungsplan, der auf dem F-Plan aufbaut, entstehen konkrete Baurechte und Nutzungsbeschränkungen für Grundstückseigentümer.
Verfahren zur Aufstellung und Änderung
Die Aufstellung eines Flächennutzungsplans ist ein mehrstufiges, förmliches Verfahren:
1. Aufstellungsbeschluss Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung oder Änderung des Flächennutzungsplans.
2. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit Die Bürger werden über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung informiert und können Anregungen äußern (§ 3 Abs. 1 BauGB).
3. Beteiligung der Träger öffentlicher Belange Behörden, Versorgungsträger, Naturschutzverbände und andere Institutionen werden um Stellungnahmen gebeten (§ 4 Abs. 1 BauGB).
4. Entwurfserstellung Auf Basis der eingegangenen Stellungnahmen wird der Planentwurf erstellt.
5. Öffentliche Auslegung Der Entwurf liegt mindestens einen Monat lang öffentlich aus. Bürger können Einwendungen erheben (§ 3 Abs. 2 BauGB).
6. Abwägung Die Gemeinde wägt alle öffentlichen und privaten Belange gegeneinander ab und berücksichtigt die Stellungnahmen.
7. Satzungsbeschluss Der Gemeinderat beschließt den Flächennutzungsplan als Satzung.
8. Genehmigung Der F-Plan wird der höheren Verwaltungsbehörde (z. B. Bezirksregierung) zur Genehmigung vorgelegt.
9. Bekanntmachung Nach Genehmigung wird der Flächennutzungsplan öffentlich bekannt gemacht und tritt damit in Kraft.
Das gesamte Verfahren dauert häufig mehrere Jahre. Änderungen des F-Plans durchlaufen ein vereinfachtes, aber dennoch förmliches Verfahren.
Unterschied zwischen Flächennutzungsplan und Bebauungsplan
Viele Laien verwechseln Flächennutzungsplan und Bebauungsplan. Die Unterschiede sind jedoch fundamental:
| Kriterium | Flächennutzungsplan | Bebauungsplan |
|---|---|---|
| Planungsebene | Vorbereitende Bauleitplanung | Verbindliche Bauleitplanung |
| Räumlicher Geltungsbereich | Gesamtes Gemeindegebiet | Teilbereich der Gemeinde |
| Maßstab | 1:5.000 bis 1:10.000 | 1:500 bis 1:1.000 |
| Detaillierungsgrad | Grobe Grundzüge | Detaillierte Festsetzungen |
| Rechtswirkung | Keine unmittelbare Außenwirkung | Rechtsverbindlich für Bürger |
| Baurechte | Begründet keine Baurechte | Begründet konkrete Baurechte |
| Entwicklung | Eigenständig | Muss aus F-Plan entwickelt werden |
Vereinfacht: Der Flächennutzungsplan gibt die Richtung vor, der Bebauungsplan schafft konkrete Rechte und Pflichten.
Bedeutung für die Immobilienbewertung
Für Immobiliensachverständige ist der Flächennutzungsplan ein wichtiges Hilfsmittel bei der Wertermittlung:
Entwicklungspotenzial von Grundstücken Der F-Plan zeigt, ob ein derzeit landwirtschaftlich genutztes Grundstückkünftig als Bauland ausgewiesen werden könnte. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Bodenwert und damit den Verkehrswert.
Verkehrsplanung und Lärmbelastung Geplante Verkehrstrassen, Umgehungsstraßen oder Bahnlinien können zu künftigen Lärmbelastungen führen und sich wertmindernd auswirken. Umgekehrt kann eine verbesserte Verkehrsanbindung wertsteigernd sein.
Nachverdichtung und Aufwertung Zeigt der F-Plan eine Umwidmung von gewerblichen zu gemischten oder reinen Wohnbauflächen, deutet dies auf eine Aufwertung des Quartiers hin.
Einschätzung der Lage Die im F-Plan dargestellte städtebauliche Gesamtstruktur gibt Aufschluss über die Lage des zu bewertenden Objekts – etwa Nähe zu Grünflächen, Gemeinbedarfseinrichtungen, Verkehrsknotenpunkten.
Risikobewertung Kennzeichnungen zu Altlasten, Hochwassergebieten oder Bergbaugebieten sind wertrelevante Risikofaktoren, die in die Bewertung einfließen müssen.
Langfristige Marktentwicklung Der F-Plan zeigt die planerische Vision der Gemeinde für die kommenden 10-15 Jahre und ermöglicht damit Prognosen über künftige Marktentwicklungen.
Einsichtnahme und Verfügbarkeit
Der Flächennutzungsplan ist ein öffentliches Dokument und kann von jedermann eingesehen werden:
Gemeindeverwaltung Bei der zuständigen Bau- oder Planungsabteilung der Gemeinde kann der F-Plan während der Öffnungszeiten eingesehen werden.
Online-Portale Viele Gemeinden stellen ihre Flächennutzungspläne mittlerweile digital zur Verfügung – oft über Geoportale oder GIS-Systeme.
Kopien und Auszüge Gegen Gebühr können Kopien oder Auszüge des F-Plans angefordert werden, die auch für Gerichtsverfahren oder Gutachten verwendet werden können.
Erläuterungsbericht Zum Flächennutzungsplan gehört in der Regel ein umfangreicher Erläuterungsbericht (Begründung), der die planerischen Zielsetzungen und Abwägungen im Detail darlegt.
Aktualität und Fortschreibung
Flächennutzungspläne werden nicht regelmäßig aktualisiert, sondern bleiben oft über Jahrzehnte gültig. Änderungen erfolgen nur, wenn sich die städtebaulichen Rahmenbedingungen wesentlich ändern oder konkrete Planungsabsichten dies erfordern.
Neuaufstellung Eine vollständige Neuaufstellung erfolgt häufig nur alle 15-25 Jahre oder bei grundlegenden Strukturveränderungen (z. B. Eingemeindungen, neue Verkehrsachsen).
Änderungsverfahren Für Teilbereiche können Änderungsverfahren durchgeführt werden, die schneller und weniger aufwendig sind als eine Neuaufstellung.
Parallelverfahren Bei dringendem Bedarf kann ein Bebauungsplan im Parallelverfahren mit einer Flächennutzungsplan-Änderung aufgestellt werden (§ 8 Abs. 3 BauGB).
Für Sachverständige bedeutet dies: Ein F-Plan kann veraltet sein und entspricht möglicherweise nicht mehr der tatsächlichen Entwicklung. Ergänzend sollten aktuelle Bebauungspläne, Ratsbeschlüsse und Entwicklungskonzepte geprüft werden.
Abweichungen und Anpassungsklauseln
In der Praxis entspricht die tatsächliche Entwicklung nicht immer exakt den Darstellungen des Flächennutzungsplans:
Bestandsschutz Nutzungen, die bereits vor Inkrafttreten eines F-Plans bestanden, genießen Bestandsschutz, auch wenn sie den neuen Darstellungen widersprechen.
Geringfügige Abweichungen Bebauungspläne dürfen in engen Grenzen von den Darstellungen des F-Plans abweichen, wenn die Grundzüge der Planung gewahrt bleiben und wichtige Gründe vorliegen.
Vorzeitige Bebauungspläne In Ausnahmefällen kann ein Bebauungsplan vor der Änderung des F-Plans aufgestellt werden, wenn die Gemeinde parallel eine Änderung des F-Plans durchführt.
Häufige Missverständnisse
„Im F-Plan ist mein Grundstück als Wohnbaufläche dargestellt – also darf ich bauen” Falsch. Der F-Plan begründet kein Baurecht. Erst ein Bebauungsplan oder die Zulässigkeit nach § 34 BauGB (unbeplanter Innenbereich) oder § 35 BauGB (Außenbereich) ermöglicht eine Bebauung.
„Der F-Plan wird nie geändert” Falsch. Flächennutzungspläne können jederzeit geändert werden, wenn die Gemeinde dies beschließt und das Verfahren durchläuft.
„Jede Gemeinde hat einen F-Plan” Nicht zwingend. Kleinere Gemeinden haben teilweise keinen eigenen F-Plan oder arbeiten mit gemeinsamen Flächennutzungsplänen mehrerer Gemeinden.
Praktische Tipps für Eigentümer und Investoren
Frühzeitig informieren Wer ein Grundstück erwerben oder entwickeln möchte, sollte frühzeitig den F-Plan einsehen, um künftige Entwicklungen abschätzen zu können.
Nicht nur den F-Plan prüfen Ergänzend sollten Bebauungspläne, Landschaftspläne, Regionalplan und aktuelle Ratsbeschlüsse geprüft werden.
Planungsrecht berücksichtigen Der Wert eines Grundstücks hängt nicht nur vom F-Plan, sondern auch vom konkreten Baurecht ab. Hier empfiehlt sich die Beratung durch einen Fachanwalt für Bau- und Planungsrecht.
Sachverständige einbinden Bei der Bewertung von Grundstücken mit Entwicklungspotenzial sollte ein qualifizierter Sachverständiger – idealerweise mit HypZert-Zertifizierung – hinzugezogen werden, der die planerischen Rahmenbedingungen richtig interpretiert.
Fazit
Der Flächennutzungsplan ist das zentrale strategische Planungsinstrument der Gemeinden und bildet den Rahmen für die künftige städtebauliche Entwicklung. Auch wenn er keine unmittelbare Rechtswirkung für Grundstückseigentümer entfaltet, ist er für die Einschätzung von Entwicklungspotenzialen, Risiken und Marktentwicklungen unverzichtbar. Für Immobiliensachverständige ist die Kenntnis des F-Plans ein wichtiges Instrument bei der Wertermittlung – insbesondere bei der Bewertung von unbebauten oder entwicklungsfähigen Grundstücken. Die sorgfältige Analyse des Flächennutzungsplans in Verbindung mit Bebauungsplänen, örtlichen Marktdaten und der tatsächlichen Entwicklung schafft die Grundlage für fundierte Verkehrswertgutachten und ermöglicht eine realistische Einschätzung künftiger Wertentwicklungen. Eigentümer, Investoren und Sachverständige sollten den F-Plan daher stets als wichtige Informationsquelle in ihre Planungen und Bewertungen einbeziehen.