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Flächenberechnung

Inhaltsverzeichnis

Die Flächenberechnung ist eine der wichtigsten Grundlagen in der Immobilienbewertung und -vermarktung. Sie bildet die Basis für Mietpreise, Kaufpreise, Verkehrswerte und Nebenkostenabrechnungen. Dennoch herrscht in der Praxis oft Verwirrung über die verschiedenen Flächenarten und Berechnungsmethoden. Eine fehlerhafte Flächenangabe kann erhebliche finanzielle Folgen haben – von überhöhten Mietzahlungen über falsche Wertermittlungen bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Für Immobiliensachverständige, Makler, Vermieter und Käufer ist die korrekte und nachvollziehbare Flächenberechnung daher unverzichtbar.

Warum ist die Flächenberechnung so wichtig?

Die korrekte Flächenberechnung hat unmittelbare Auswirkungen auf zahlreiche immobilienrechtliche und wirtschaftliche Aspekte:

Mietrecht und Mietpreisbildung Die Wohnfläche ist die zentrale Bezugsgröße für Mietverträge. Weicht die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % von der vereinbarten ab, kann der Mieter eine Mietminderung geltend machen oder sogar den Vertrag anfechten. Bei zu geringer Fläche können jahrelang zu viel gezahlte Mieten zurückgefordert werden.

Kaufpreisermittlung Bei der Vermarktung von Eigentumswohnungen oder Häusern werden Quadratmeterpreise als Vergleichsmaßstab herangezogen. Eine fehlerhafte Flächenangabe führt zu falschen Preisvorstellungen und kann den Verkauf verzögern oder rechtliche Nachforderungen auslösen.

Immobilienbewertung Im VergleichswertverfahrenErtragswertverfahren und Sachwertverfahren ist die Fläche eine zentrale Berechnungsgröße. Falsche Flächenangaben verfälschen den ermittelten Verkehrswert und können bei Erbschaftsgutachten oder Finanzierungen zu erheblichen Problemen führen.

Nebenkostenabrechnung Die Verteilung von Betriebskosten erfolgt oft nach Wohnfläche. Fehlerhafte Flächenangaben führen zu ungerechtfertigten Kostenverteilungen unter den Mietern.

Energieausweis Der Energieausweis gibt den Energieverbrauch oder -bedarf pro Quadratmeter an. Falsche Flächenangaben verfälschen die Energiekennwerte.

Baugenehmigung und Baurecht Bei Neubauten und Umbauten ist die Geschossflächenzahl (GFZ) eine planungsrechtliche Vorgabe. Die korrekte Flächenberechnung nach DIN 277 ist hier entscheidend.

Die verschiedenen Flächenarten

In der Immobilienwirtschaft existieren verschiedene Flächenbegriffe, die je nach Zweck unterschiedlich berechnet werden:

Wohnfläche

Die Wohnfläche ist die wichtigste Flächenart im Wohnungswesen. Sie umfasst alle zu Wohnzwecken nutzbaren Räume einer Wohnung oder eines Hauses und wird nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV) berechnet. Die WoFlV gilt seit 2004 und hat die zuvor verwendete II. Berechnungsverordnung (II. BV) abgelöst.

Typische Anwendung: Mietverträge, Wohnungsverkauf, Mietspiegelermittlung

Nutzfläche

Die Nutzfläche nach DIN 277 umfasst alle Flächen, die dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Gebäudes dienen – also nicht nur Wohnräume, sondern auch Büros, Gewerberäume, Technikräume, Verkehrsflächen. Die DIN 277 unterscheidet verschiedene Nutzflächenarten (NF 1-7).

Typische Anwendung: Gewerbemiete, Baukostenberechnung, Facility Management

Bruttogrundfläche (BGF)

Die Bruttogrundfläche nach DIN 277 ist die Summe aller Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks – inklusive Außenwänden und konstruktiven Innenwänden. Sie ist die größte Flächenangabe und wird vor allem im Bauwesen verwendet.

Typische Anwendung: Baukostenermittlung nach DIN 276, Bauanträge, Grundstücksausnutzung

Nettogrundfläche (NGF)

Die Nettogrundfläche ist die Bruttogrundfläche abzüglich der Flächen von Außenwänden und konstruktiven Innenwänden. Sie unterteilt sich in Nutzfläche, Technikfläche und Verkehrsfläche.

Wohn- und Nutzfläche nach II. BV (veraltet)

Die II. Berechnungsverordnung wurde 2004 durch die WoFlV ersetzt, wird aber in älteren Mietverträgen noch referenziert. Die Berechnungsmethoden unterscheiden sich teilweise erheblich von der WoFlV.

Wohnflächenberechnung nach WoFlV

Die Wohnflächenverordnung (WoFlV) ist die zentrale Rechtsgrundlage für die Berechnung von Wohnflächen. Sie gilt für:

  • Wohnungen in Mehrfamilienhäusern
  • Einfamilienhäuser
  • Eigentumswohnungen
  • Alle Wohnräume im Sinne des Wohnraumförderungsgesetzes

Grundprinzip: Berechnung nach Grundfläche

Die Wohnfläche ergibt sich aus der Grundfläche der Räume, gemessen in 1 m Höhe über der Oberkante des Fußbodens. Dabei werden verschiedene Flächen unterschiedlich angerechnet:

Voll anrechenbar (100 %):

  • Alle Wohnräume und Küchen
  • Zimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer
  • Abstellräume und Kellerräume innerhalb der Wohnung
  • Wintergärten mit Heizung
  • Loggias, Balkone und Terrassen nur anteilig (siehe unten)

Hälftig anrechenbar (50 %):

  • Räume oder Raumteile mit Dachschrägen, wenn die lichte Höhe zwischen 1 m und 2 m liegt
  • Loggias, Balkone, Dachterrassen, Terrassen und vergleichbare Flächen (max. 25-50 % je nach Wertigkeit)

Nicht anrechenbar (0 %):

  • Räume oder Raumteile mit einer lichten Höhe unter 1 m
  • Keller-, Waschküchen- und Trockenräume außerhalb der Wohnung
  • Heizungsräume, Garagen, Carports
  • Zubehörräume außerhalb der Wohnung (z. B. separater Abstellraum im Keller)

Besonderheiten bei Dachschrägen

Dachschrägen sind eine häufige Fehlerquelle. Die WoFlV regelt dies eindeutig:

  • Raumhöhe über 2 m: Fläche wird zu 100 % angerechnet
  • Raumhöhe zwischen 1 m und 2 m: Fläche wird zu 50 % angerechnet
  • Raumhöhe unter 1 m: Fläche wird nicht angerechnet

Die lichte Raumhöhe wird senkrecht vom Fußboden bis zur Decke bzw. Dachschräge gemessen. Bei komplexen Dachformen kann die Berechnung aufwendig werden.

Beispiel: Ein Dachgeschosszimmer hat eine Grundfläche von 20 m². Davon entfallen:

  • 12 m² auf Bereiche über 2 m Höhe → 12 m² zu 100 % = 12 m²
  • 6 m² auf Bereiche zwischen 1 m und 2 m Höhe → 6 m² zu 50 % = 3 m²
  • 2 m² auf Bereiche unter 1 m Höhe → nicht anrechenbar

Wohnfläche des Zimmers: 15 m²

Balkone, Terrassen und Loggias

Die Anrechnung von Außenflächen ist in der WoFlV klar geregelt, wird aber häufig falsch umgesetzt:

Regelanrechnung: 25 % Balkone, Loggias, Dachterrassen und Terrassen werden grundsätzlich nur zu 25 % der Grundfläche angerechnet.

Erhöhte Anrechnung: 50 % Eine Anrechnung von 50 % ist zulässig, wenn die Flächen:

  • besonders hochwertig ausgestattet sind
  • überdurchschnittlich groß sind
  • eine besondere Wohnqualität bieten (z. B. mit Außenküche, Überdachung)

Die erhöhte Anrechnung muss begründet und dokumentiert werden.

Maximalanrechnung Die angerechnete Fläche darf maximal 50 % der gesamten Wohnfläche betragen (bei 25 % Anrechnung) bzw. 75 % (bei 50 % Anrechnung).

Beispiel: Wohnung mit 80 m² Innenfläche, Balkon mit 8 m², Terrasse mit 12 m²

  • Balkon: 8 m² × 25 % = 2 m²
  • Terrasse: 12 m² × 25 % = 3 m²

Gesamtwohnfläche: 85 m²

Wintergärten

Wintergärten stellen einen Sonderfall dar:

Beheizte Wintergärten mit Wohnraumqualität: Volle Anrechnung (100 %) Unbeheizte Wintergärten: Anrechnung wie Balkone (25-50 %)

Entscheidend ist, ob der Wintergarten ganzjährig als Wohnraum nutzbar ist.

Treppen innerhalb der Wohnung

Treppen, die ausschließlich der Erschließung innerhalb einer Wohnung dienen (z. B. Maisonette-Wohnungen), werden nicht zur Wohnfläche gezählt. Dies gilt jedoch nur für die Treppengrundfläche selbst, nicht für Treppenpodeste oder Flure.

Flächenberechnung nach DIN 277

Die DIN 277 ist das standardisierte Berechnungsverfahren für alle Gebäudeflächen und -rauminhalte im Bauwesen. Sie ist deutlich umfassender als die WoFlV und wird vor allem bei Gewerbeimmobilien, Baukostenberechnungen und öffentlichen Ausschreibungen angewendet.

Bruttogrundfläche (BGF)

Die BGF umfasst die Summe aller Grundflächen aller Grundrissebenen einschließlich der Außenwände und konstruktiven Innenwände. Sie ist die Grundlage für die Berechnung der Geschossflächenzahl (GFZ) im Baurecht.

Nettogrundfläche (NGF)

Die NGF ist die BGF abzüglich der Wandflächen. Sie gliedert sich in:

Nutzfläche (NF)

  • NF 1: Wohnen und Aufenthalt
  • NF 2: Büroarbeit
  • NF 3: Produktion, Hand- und Maschinenarbeit
  • NF 4: Lagern, Verteilen, Verkaufen
  • NF 5: Bildung, Unterricht, Kultur
  • NF 6: Heilen und Pflegen
  • NF 7: Sonstige Nutzungen

Technikfläche (TF) Flächen für technische Anlagen (Heizung, Lüftung, Elektro)

Verkehrsfläche (VF) Flure, Treppen, Aufzüge, Eingangsbereiche

Diese differenzierte Gliederung ist besonders bei Wohn- und Geschäftshäusern oder Gewerbeimmobilien relevant, wenn das Ertragswertverfahren oder Sachwertverfahren angewendet wird.

Bedeutung für die Immobilienbewertung

Für Immobiliensachverständige ist die korrekte Flächenberechnung unverzichtbar:

Vergleichswertverfahren Im Vergleichswertverfahren werden Quadratmeterpreise von Vergleichsobjekten herangezogen. Eine fehlerhafte Flächenangabe führt zu falschen Wertableitungen. Der Sachverständige muss prüfen, ob die Flächenangaben der Vergleichsobjekte nach der gleichen Methode ermittelt wurden.

Ertragswertverfahren Im Ertragswertverfahren wird die Miete häufig als €/m² angegeben. Die Wohnfläche ist somit direkt wertbildend für den Ertragswert.

Sachwertverfahren Im Sachwertverfahren werden Herstellungskosten oft pro Quadratmeter Bruttogrundflächeangesetzt. Hier ist die Flächenberechnung nach DIN 277 maßgeblich.

Plausibilitätsprüfung Bei jeder Wertermittlung muss der Sachverständige die vorgefundenen oder bereitgestellten Flächenangaben auf Plausibilität prüfen. Abweichungen zwischen Grundriss, Bauzeichnungen und tatsächlicher Messung sind keine Seltenheit.

Häufige Fehlerquellen und Streitfälle

Altbauten ohne Bauzeichnungen Bei älteren Immobilien fehlen oft originale Bauzeichnungen. Die Fläche muss dann durch Nachmessung ermittelt werden, was aufwendig und fehleranfällig ist.

Anrechnung von Kellern Kellerräume innerhalb der Wohnung (z. B. ausgebaute Souterrain-Räume mit direktem Zugang) zählen zur Wohnfläche, separate Kellerräume außerhalb der Wohnung nicht. Diese Abgrenzung ist oft strittig.

Anbauten und Wintergärten Nachträglich errichtete Wintergärten oder Anbauten werden häufig nicht korrekt in Flächenberechnungen erfasst – insbesondere wenn sie ohne Baugenehmigung errichtet wurden.

Falsche Dachschrägenberechnung Die korrekte Ermittlung der Flächen mit unterschiedlichen Raumhöhen erfordert genaue Messungen. Pauschale Schätzungen führen zu erheblichen Abweichungen.

Unterschiedliche Berechnungsmethoden In älteren Mietverträgen wird oft auf die II. BV verwiesen, während heute die WoFlV gilt. Bei Mieterhöhungen oder Kaufverträgen kann dies zu Konflikten führen.

Übertriebene Balkonanrechnung Die großzügige Anrechnung von Balkonen mit 50 % ohne entsprechende Begründung ist ein häufiger Fehler, der rechtlich angreifbar ist.

Praktische Hinweise für die korrekte Flächenberechnung

Dokumentation der Messung Jede Flächenberechnung sollte nachvollziehbar dokumentiert werden: Messskizze, Messmethode, Anrechnungsfaktoren, Fotos zur Dokumentation von Besonderheiten.

Verwendung professioneller Hilfsmittel Lasermessgeräte erhöhen die Genauigkeit erheblich. Für komplexe Grundrisse empfiehlt sich der Einsatz von CAD-Software oder spezialisierter Flächenberechnungssoftware.

Prüfung bestehender Unterlagen Bauzeichnungen, Teilungserklärungen oder Grundrisse aus Exposés sollten nicht ungeprüft übernommen werden. Eine Nachmessung ist oft unverzichtbar.

Klare vertragliche Regelungen In Miet- und Kaufverträgen sollte explizit angegeben werden, nach welcher Methode die Wohnfläche berechnet wurde (WoFlV, DIN 277, II. BV).

Beauftragung eines Sachverständigen Bei Streitfällen oder hochwertigen Immobilien ist die Beauftragung eines qualifizierten Sachverständigen – idealerweise mit HypZert-Zertifizierung – zur objektiven Flächenermittlung sinnvoll.

Rechtliche Konsequenzen fehlerhafter Flächenangaben

Mietminderung Bei Abweichungen von mehr als 10 % zwischen vereinbarter und tatsächlicher Wohnfläche kann der Mieter eine Mietminderung verlangen. Die Minderung bemisst sich nach dem Verhältnis der Flächenabweichung.

Anfechtung von Verträgen Bei arglistiger Täuschung (wissentlich falsche Flächenangabe) kann der Kauf- oder Mietvertrag angefochten werden.

Rückforderung zu viel gezahlter Miete Wurde aufgrund einer zu hohen Flächenangabe über Jahre eine überhöhte Miete gezahlt, können die zu viel gezahlten Beträge unter Umständen zurückgefordert werden (Verjährungsfristen beachten).

Schadensersatz Bei Immobilienkäufen kann eine erhebliche Flächenabweichung als Sachmangel geltend gemacht werden, der zu Kaufpreisminderung oder Schadensersatzansprüchen führt.

Fazit

Die korrekte Flächenberechnung ist ein fundamentales Element in der Immobilienwirtschaft und Immobilienbewertung. Die Wohnflächenverordnung (WoFlV) für Wohnimmobilien und die DIN 277 für gewerbliche Objekte bieten klare Regelwerke, deren Anwendung jedoch Fachkenntnis und Sorgfalt erfordert. Fehlerhafte Flächenangaben können erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – von Mietminderungen über falsche Verkehrswerte bis hin zu Vertragskündigungen. Für Eigentümer, Käufer, Vermieter und Sachverständige ist es daher unerlässlich, Flächenberechnungen nach den geltenden Standards vorzunehmen, transparent zu dokumentieren und im Zweifelsfall durch einen qualifizierten Sachverständigen überprüfen zu lassen. Eine präzise Flächenermittlung schafft Rechtssicherheit, vermeidet Konflikte und bildet die Grundlage für faire Mietpreise, realistische Kaufpreise und fundierte Immobilienbewertungen.

Unser Leistungen

Immobilienbewertung Steinlein

Seit 2017 beschäftigen wir zertifizierte Immobiliengutachter für die Bewertung von Immobilien. Unabhängig und neutral erstellen wir Kurzgutachten (Verkehrswert), Verkehrswertgutachten sowie Markt- und Beleihungswertgutachten für finanzwirtschaftliche Zwecke. 

Fachwissen wird regelmäßig durch die HypZert, die nach DIN EN ISO 17024:2012 zertifiziert und bei der Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS gelistet ist, geprüft. Eine Vielzahl an Weiterbildungen im Immobilienbereich garantieren eine hohe Qualität unserer Gutachten.