Die DIN 277 ist die maßgebliche deutsche Norm zur Berechnung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken. Sie definiert einheitliche Berechnungsregeln und Begriffe für die Flächenermittlung und ist damit ein grundlegendes Instrument für Architekten, Bauherren, Facility Manager und Immobiliensachverständige. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2016 und gliedert sich in drei Teile: DIN 277-1 (Hochbau), DIN 277-2 (Gliederung der Netto-Grundfläche) und DIN 277-3 (Mengen und Bezugseinheiten).

Zweck und Anwendungsbereiche
Die DIN 277 schafft eine einheitliche Grundlage für:
Flächenberechnung: Standardisierte Ermittlung von Grundflächen für Planungs-, Abrechnungs- und Verwaltungszwecke.
Vergleichbarkeit: Objektive Vergleiche zwischen verschiedenen Gebäuden und Projekten durch einheitliche Berechnungsmethoden.
Kostenermittlung: Grundlage für flächenbezogene Kostenberechnungen in Verbindung mit der DIN 276.
Facility Management: Basis für Betriebs- und Bewirtschaftungskosten sowie Flächenmanagement.
Immobilienbewertung: Essenzielle Grundlage zur Ermittlung von Nutzflächen, die bei allen Wertermittlungsverfahren eine zentrale Rolle spielen.
Die Grundflächenarten nach DIN 277-1
Die DIN 277 unterscheidet verschiedene Flächenarten, die hierarchisch aufeinander aufbauen:
Brutto-Grundfläche (BGF)
Die Brutto-Grundfläche ist die Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks. Sie umfasst die überdeckten und allseitig umschlossenen Bereiche.
Ermittlung: Die BGF wird aus den äußeren Maßen der Bauteile berechnet, einschließlich Außenwände, Innenwände, Pfeiler und Stützen.
Bedeutung: Die BGF ist eine wichtige Kenngröße für Kostenermittlungen, da viele Baukosten flächenbezogen auf die BGF umgelegt werden.
Netto-Raumfläche (NRF)
Die Netto-Raumfläche ist die Summe der nutzbaren Grundflächen aller Räume und Bereiche innerhalb eines Bauwerks.
Ermittlung: Die NRF wird aus den lichten Maßen zwischen den Bauteilen berechnet, ohne Berücksichtigung der Wandstärken.
Unterteilung: Die NRF gliedert sich in verschiedene Nutzungsbereiche:
- NRF a – Nutzfläche (z.B. Büros, Wohnräume, Verkaufsräume)
- NRF b – Technikfläche (z.B. Heizungsräume, Serverräume)
- NRF c – Verkehrsfläche (z.B. Flure, Treppen, Aufzüge)
Konstruktions-Grundfläche (KGF)
Die Konstruktions-Grundfläche ist die Grundfläche der aufgehenden Bauteile aller Ebenen.
Berechnung: KGF = BGF – NRF
Die KGF umfasst alle Wände, Stützen, Pfeiler und Schächte.
Brutto-Rauminhalt (BRI)
Der Brutto-Rauminhalt ist das Volumen eines Bauwerks, berechnet aus der Brutto-Grundfläche und den zugehörigen Höhen.
Bedeutung: Der BRI wird unter anderem für die Berechnung von Baukosten pro Kubikmeter (€/m³) verwendet.
Gliederung der Netto-Raumfläche nach DIN 277-2
Die DIN 277-2 unterteilt die Netto-Raumfläche detailliert nach Nutzungsarten:
Nutzfläche (NF) – NRF a
NF 1 – Wohnen und Aufenthalt NF 2 – Büroarbeit NF 3 – Produktion, Hand- und Maschinenarbeit NF 4 – Lagern, Verteilen und Verkaufen NF 5 – Bildung, Unterricht und Kultur NF 6 – Heilen und Pflegen NF 7 – Sonstige Nutzungen
Technikfläche (TF) – NRF b
Alle Flächen für technische Anlagen wie:
- Heizungsanlagen
- Lüftungsanlagen
- Sanitäranlagen
- Elektroanlagen
- Aufzugsmaschinenräume
Verkehrsfläche (VF) – NRF c
Flächen für den inneren Verkehr:
- Eingangsbereiche
- Flure und Gänge
- Treppen und Treppenräume
- Aufzugsschächte
- Fahrzeugverkehrsflächen (Tiefgaragen, Rampen)
Unterschied zur Wohnflächenverordnung
Wichtig: Die DIN 277 ist nicht identisch mit der Wohnflächenverordnung (WoFlV), die für Wohnraum maßgeblich ist.
Hauptunterschiede:
- Die WoFlV berücksichtigt Raumhöhen (Dachschrägen werden anteilig gewertet)
- Balkone und Terrassen werden in der WoFlV zu 25-50% angerechnet
- Die DIN 277 ist technischer und umfassender ausgelegt
- Die WoFlV ist für Mietverträge und Wohnraumförderung bindend
Für Wohnimmobilien wird bei Mietverträgen die Wohnflächenverordnung angewendet, während die DIN 277 vor allem für gewerbliche Immobilien, Facility Management und technische Planungen relevant ist.
Bedeutung für die Immobilienbewertung
Die DIN 277 ist für Immobiliensachverständige aus mehreren Gründen unverzichtbar:
Flächenermittlung nach ImmoWertV
Die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) setzt für die Wertermittlung präzise Flächenangaben voraus. Die DIN 277 bietet hierfür die standardisierte Berechnungsgrundlage.
Ertragswertverfahren
Bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien ist die Netto-Raumfläche nach DIN 277 entscheidend für:
- Ermittlung von marktüblichen Mieten (€/m²)
- Berechnung des Rohertrags
- Vergleich mit Marktdaten
Sachwertverfahren
Die Brutto-Grundfläche dient als Bezugsgröße für:
- Normalherstellungskosten (NHK)
- Berechnung des Gebäudewerts
- Ermittlung von Baukosten
Vergleichswertverfahren
Für die Ableitung von Vergleichspreisen werden häufig Quadratmeterpreise benötigt, die auf standardisierten Flächenberechnungen basieren müssen.
Bausubstanzanalyse
Die systematische Flächengliederung ermöglicht eine detaillierte Analyse der Gebäudestruktur und -qualität.
Praktische Anwendung
Für Sachverständige bedeutet die Anwendung der DIN 277:
Vermessung: Präzise Aufmaße der Räume und Bauteile Dokumentation: Systematische Erfassung aller Flächen in Grundrissen Plausibilität: Abgleich mit Bauunterlagen und bestehenden Flächenangaben Nachvollziehbarkeit:Transparente Darstellung der Flächenberechnung im Gutachten
Besonders bei Gewerbeimmobilien, Bürogebäuden und gemischt genutzten Objekten ist die korrekte Anwendung der DIN 277 für eine belastbare Wertermittlung unerlässlich.
Fazit
Die DIN 277 ist das Standardwerk für die Flächenberechnung im deutschen Bauwesen. Sie schafft Einheitlichkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit bei der Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten. Für die Immobilienbewertung bildet sie eine unverzichtbare Grundlage, da nahezu alle Wertermittlungsverfahren auf präzisen Flächenangaben basieren.
Ein fundiertes Verständnis der DIN 277 und ihrer korrekten Anwendung ist daher für jeden Immobiliensachverständigen essentiell, um rechtssichere und marktgerechte Verkehrswertgutachten zu erstellen. Die Norm gewährleistet, dass Flächenangaben objektiv nachvollziehbar und mit anderen Objekten vergleichbar sind – eine Kernvoraussetzung für belastbare Immobilienbewertungen.