Die DIN 18960 ist die zentrale deutsche Norm zur Berechnung und Gliederung von Nutzungskosten im Hochbau. Sie definiert alle Kosten, die während der Nutzungsphase eines Gebäudes – also nach dessen Fertigstellung – anfallen. Die Norm wurde erstmals 1976 eingeführt und zuletzt 2008 überarbeitet. Sie ist ein unverzichtbares Instrument für Facility Manager, Immobilienbetreiber, Eigentümer und Sachverständige, um Betriebskosten transparent zu erfassen und langfristig zu planen.

Was sind Nutzungskosten?
Nutzungskosten sind alle Kosten, die durch die bestimmungsgemäße Nutzung eines Gebäudes während seiner Lebensdauer nach der Fertigstellung entstehen. Im Gegensatz zu den einmaligen Herstellungskosten (nach DIN 276) handelt es sich bei Nutzungskosten um wiederkehrende Aufwendungen.
Die DIN 18960 ermöglicht:
- Transparente Kostenerfassung über den gesamten Lebenszyklus
- Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Gebäuden
- Planungssicherheit für Eigentümer und Betreiber
- Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei Investitionsentscheidungen
Abgrenzung zu anderen Kostenarten
DIN 276 vs. DIN 18960:
- Die DIN 276 erfasst die Herstellungskosten (einmalige Investitionskosten)
- Die DIN 18960 erfasst die Nutzungskosten (laufende Betriebskosten)
- Zusammen bilden sie die Grundlage für Lebenszykluskosten-Betrachtungen
Betriebskosten vs. Nutzungskosten: Die Betriebskosten nach Betriebskostenverordnung (BetrKV) sind nur ein Teil der Nutzungskosten nach DIN 18960. Während die BetrKV regelt, welche Kosten auf Mieter umgelegt werden dürfen, erfasst die DIN 18960 alle Kosten des Gebäudebetriebs – auch nicht umlagefähige Kosten wie Verwaltungskosten oder Instandsetzung.
Die Kostengruppen nach DIN 18960
Die DIN 18960 gliedert die Nutzungskosten in vier Hauptgruppen mit insgesamt über 30 Untergruppen:
Kostengruppe 100 – Kapitalkosten
Diese Gruppe umfasst die Finanzierungskosten:
- 110 – Fremdkapitalzinsen
- 120 – Abschreibungen (Wertverlust durch Alterung)
- 130 – Eigenkapitalverzinsung (kalkulatorischer Ansatz)
Hinweis: Kapitalkosten werden oft bei der Ermittlung von Gesamtnutzungskosten berücksichtigt, sind aber keine direkten Betriebsausgaben.
Kostengruppe 200 – Verwaltungskosten
Kosten für die Verwaltung und das Management der Immobilie:
- 210 – Kosten für Eigentümertätigkeiten
- 220 – Kosten für Fremdverwaltung (Hausverwaltung)
- 230 – Kosten für Objektverwaltung
- 240 – Kosten für Mieterverwaltung
- 250 – Kosten für Versicherungen und Abgaben
Hierzu gehören beispielsweise Grundsteuer, Gebäudeversicherungen, Verwaltungspersonal und externe Dienstleister.
Kostengruppe 300 – Betriebskosten
Die größte Kostengruppe umfasst alle Kosten des laufenden Betriebs:
310 – Versorgung
- Wasser, Abwasser
- Energiekosten (Strom, Gas, Fernwärme)
- Brennstoffe
320 – Entsorgung
- Abfallbeseitigung
- Straßenreinigung, Winterdienst
330 – Reinigung und Pflege von Gebäuden
- Gebäudereinigung
- Unterhaltsreinigung
- Glasreinigung
340 – Reinigung und Pflege von Außenanlagen
- Gartenpflege
- Grünflächenpflege
- Schneeräumung
350 – Bedienung, Inspektion und Wartung
- Wartung technischer Anlagen (Heizung, Lüftung, Aufzüge)
- Inspektionen und Prüfungen (TÜV, Schornsteinfeger)
- Bedienungspersonal (Hausmeister)
360 – Sicherheits- und Überwachungsdienste
370 – Abgaben und Beiträge
- Grundsteuer
- Straßenreinigungsgebühren
- Entwässerungsgebühren
Kostengruppe 400 – Instandsetzungskosten
Kosten für die Erhaltung der Bausubstanz:
- 410 – Instandsetzung der Baukonstruktion
- 420 – Instandsetzung der technischen Anlagen
- 430 – Instandsetzung der Außenanlagen
- 440 – Instandsetzung der Ausstattung
Abgrenzung zur Modernisierung: Instandsetzung erhält den vorhandenen Standard, während Modernisierung den Standard verbessert. Modernisierungskosten fallen nicht unter die DIN 18960, sondern zählen zu den Herstellungskosten.
Lebenszykluskosten (Life Cycle Costing)
Die DIN 18960 ist ein zentrales Instrument für die Lebenszykluskosten-Betrachtung. Studien zeigen, dass die Nutzungskosten über eine typische Gebäudelebensdauer von 50 Jahren die Herstellungskosten um ein Vielfaches übersteigen können.
Faustformel:
- Herstellungskosten: 100%
- Nutzungskosten über 50 Jahre: 300-500%
Diese Erkenntnis ist essentiell für:
- Investitionsentscheidungen (Soll ich mehr in Qualität investieren, um Betriebskosten zu senken?)
- Nachhaltigkeitsbetrachtungen (Energieeffizienz senkt langfristig die Nutzungskosten)
- Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei Sanierungen
Bedeutung für das Facility Management
Die DIN 18960 ist die Grundlage für professionelles Facility Management (FM). Sie ermöglicht:
Benchmarking: Vergleich der eigenen Nutzungskosten mit Referenzwerten aus der Branche (€/m²/Jahr)
Budgetplanung: Systematische Planung zukünftiger Kosten
Kostencontrolling: Überwachung und Steuerung der laufenden Ausgaben
Optimierung: Identifikation von Einsparpotentialen (z.B. durch energetische Sanierung)
Ausschreibung: Transparente Leistungsbeschreibungen für Dienstleister
Bedeutung für die Immobilienbewertung
Für Immobiliensachverständige spielt die DIN 18960 in mehreren Bereichen eine wichtige Rolle:
Ertragswertverfahren
Bei der Bewertung von Renditeimmobilien nach dem Ertragswertverfahren (ImmoWertV) müssen die Bewirtschaftungskosten ermittelt werden. Die DIN 18960 bietet hierfür die strukturierte Grundlage:
- Verwaltungskosten
- Instandhaltungskosten
- Betriebskosten (soweit nicht umlegbar)
- Mietausfallwagnis
Die systematische Erfassung nach DIN 18960 gewährleistet, dass alle relevanten Kostenarten berücksichtigt werden.
Wirtschaftlichkeitsanalysen
Bei Modernisierungsentscheidungen oder Investitionsbewertungen können Sachverständige durch Nutzungskostenbetrachtungen aufzeigen:
- Welche Einsparungen durch energetische Sanierung möglich sind
- Wie sich verschiedene Gebäudestandards auf die Betriebskosten auswirken
- Wann sich Investitionen amortisieren
Verkehrswertgutachten
In umfassenden Verkehrswertgutachten können Nutzungskosten-Analysen nach DIN 18960 folgende Aussagen stützen:
- Bewertung der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit eines Objekts
- Einschätzung der Marktgängigkeit (hohe Betriebskosten mindern die Attraktivität)
- Dokumentation des energetischen Zustands und resultierender Folgekosten
Betriebskostenprüfung
Sachverständige können Betriebskostenabrechnungen auf Plausibilität prüfen und mit Referenzwerten nach DIN 18960 abgleichen.
Praxisbeispiel: Nutzungskosten pro m²
Typische Nutzungskosten nach DIN 18960 (Richtwerte für Bürogebäude):
- Verwaltungskosten: 3-5 €/m²/Jahr
- Betriebskosten: 15-25 €/m²/Jahr
- Instandhaltung: 8-15 €/m²/Jahr
- Gesamtnutzungskosten: 26-45 €/m²/Jahr
Diese Werte variieren stark je nach:
- Gebäudealter und -zustand
- Energetischem Standard
- Nutzungsart
- Lage und Klimazone
Fazit
Die DIN 18960 ist das zentrale Instrumentarium zur systematischen Erfassung und Gliederung von Nutzungskosten im Hochbau. Sie ermöglicht Transparenz, Vergleichbarkeit und Planungssicherheit über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Für Immobiliensachverständige ist sie unverzichtbar, um bei Ertragswertverfahren belastbare Bewirtschaftungskosten anzusetzen und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Immobilien fundiert zu bewerten.
Die Norm verdeutlicht, dass Immobilien nicht nur bei der Herstellung Kosten verursachen, sondern über ihre Nutzungsdauer erhebliche laufende Aufwendungen erfordern – ein Aspekt, der bei jeder seriösen Immobilienbewertung berücksichtigt werden muss.